Oberweider erzählen ihre Geschichte:



Chantal Hartmann und Philipp Wezel 

 

Sicherlich lässt es sich in Hessen auch nicht schlecht leben, aber für Chantal und Philipp wurde in letzter Zeit der Wunsch laut, zurück ins Weidtal zu ziehen. Seit Juni 2019 wohnen die gebürtige Oberweiderin und ihr Philipp, der aus Unterweid stammt, in Lahrbach. Damals war es für die beiden äußerst schwierig, eine geeignete Wohnung in den beiden Heimatorten zu finden, so dass sie allen Widrigkeiten zum trotz nach Hessen ziehen mussten.

Dieses geschah sehr zum Missfallen von Chantals Großvater Adolf, der immer alle Enkel gerne um sich hatte. Er war auch stets der Meinung, dass sie in Oberweid wohnen sollten. Als großes Problem gestaltete sich auch der Weg zur Arbeit, denn Philipp ist als Kfz-Meister in einem BMW-Autohaus in Tiefenort tätig. Chantal fährt in die entgegengesetzte Richtung, um in Bad Neustadt als Fachkrankenschwester für Intensiv und Anästhesie zu arbeiten. Sie bestätigte mir, dass dieser Beruf ihr sehr am Herzen liegt, und sie die damalige Zusatzausbildung dafür sehr gerne gemacht hat. Beide haben in letzter Zeit intensiv nach Wohn- oder Baumöglichkeiten im Weidtal recherchiert und sind gedanklich durchs Dorf gegangen, um nach lukrativen Möglichkeiten zu schauen.

Auf die Frage, warum sie unbedingt wieder zurückwollten, gab es die Antwort, dass sie sehr heimatverbunden sind sowie einen guten Kontakt zu ihren Familien und Freunden pflegen. Beide bekräftigten, dass es ihnen wichtig ist, den Erhalt der Traditionen zur Kirmes oder zum Fasching in beiden Orten zu sichern. Weiterhin ist es wichtig, den guten Kontakt zwischen beiden Orten zu pflegen. Man kann sich aufeinander verlassen. Das Vereinsleben hat bei Philipp schon immer eine große Rolle gespielt, denn er hat ehrenamtlich seit 2007 zu vielen Kirmesveranstaltungen die Leitung der Organisation übernommen. So hilft er immer bei verschiedensten Vorbereitungen zur Durchführung dieser Traditionen. Gut würde er es finden, wenn es in Unterweid auch ein größeres Dorfgemeinschaftshaus geben würde. Viele Jahre hat Philipp auch die Leitung des Unterweider Jugendclubs übernommen. Ein Jugendclub auch in Oberweid – ja, das wäre schon mal was!

Auch Chantal hat im Faschingsverein Oberweid ihren momentanen Lebensinhalt gefunden. Sie findet es gut, dass das Vereinsleben wächst und sich alle sehr engagieren. Und wenn sie nicht gerade auf der Bühne steht und tanzt, dann hilft sie ihrem Onkel Falko Heinrich beim Weihnachtsbaumverkauf. Für sie ist es eine Familien- Herzensangelegenheit, wenn im November die Saison startet. Treffpunkt aller Familienmitglieder ist ihr Elternhaus in Oberweid. Sogar Julian Heinrich (ihr Cousin) kommt jedes Jahr mit seiner Frau Maria und den drei Kindern aus Nürnberg zur Hilfe. Der Abschied von den Fünfen fällt ihr dann immer wieder besonders schwer.

Aber nun geht für beide ein Traum in Erfüllung. Ende 2024 haben sie in der Kaltenwestheimer Straße ein Grundstück mit altem Haus erworben und unheimlich viel Liebe, Fleiß und Ausdauer in die Abrissarbeiten reingesteckt. Oft haben sie gezweifelt und sicherlich auch geflucht, ob es die richtige Entscheidung war. Jetzt ist das alte Haus weg und bald wird ein neues folgen.

 

Das Gespräch mit Chantal Hartmann und Philipp Wezel führte Antje Nävie im Mai 2025.


Johanna Zentgraf


Gerrit Leutbecher

 

Mein Zuhause, die vielen Traditionen im Dorf und das gelebte Brauchtum verbindet mich mit Oberweid.“

Besonders die Faschingszeit im Ort haben es Gerrit und seiner “Clique“ angetan, wobei sie schon seit 43 Jahren aktiv am Oberweider Umzug teilnehmen. Er betonte, dass die Zeit vor dem Fasching für ihn die schönste im Jahr sei. Man trifft sich Wochen vorher, um ein Motto auszusuchen, Kostüme zu nähen bzw. Kulissen zu bauen. Natürlich darf dabei der Spaß- und Genussfaktor nicht zu kurz kommen. Ein wichtiger Teil dieser Vorbereitungen stellt „die aufgehängte Tapetenrolle“ dar, worauf immer der Speiseplan für diese Wochen festgehalten wurde.

In Oberweid wird diese Tradition von mehreren befreundeten Pärchen fortgeführt, wobei man auch “in Gesellschaft gehen“ oder “in die Spinnstube gehen“ sagen könnte.

Der Oberweider Carneval Club hat immer die Möglichkeit, den Prinzenwagen in den Werkstätten seines Fuhrunternehmens für die Saison vorzubereiten. Gerrit freut sich besonders, dass seine Tochter Cassie im Vorstand des Vereins arbeitet. Sie führt die Tradition ihres Onkels Ingo fort, der mit Leib und Seele dieser ehrenamtlichen Tätigkeit nachgekommen ist. Für Ingo war es nicht nur ein Ehrenamt, sondern ein Lebensgefühl, das er mit Humor und Zuverlässigkeit geführt hatte.

Gerrit unterstützt seine Tochter und möchte so Traditionen im Ort nachhaltig pflegen. Stets freut er sich, wenn er durch den Spaß der jungen Kerle, sei es die Kirmes- oder Carnevalsgesellschaft, ein Stück weit mitgenommen wird.

Als Gerrit Ende 30 war, starb sein Vater und bester Ratgeber mit 62 Jahren. Für ihn begann eine Zeit von neuen Herausforderungen und eigener Verantwortung. Von nun an führte er das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Ingo. Da das Unternehmen ständig wuchs, machte es sich erforderlich, in einen neuen Firmenstandort zu investieren. Somit wurde eine Entscheidung für die gemeinsame Zukunft getroffen. Sie expandierten im Oberweider Gewerbegebiet, wobei sein Bruder einen Riesenanteil am Bestehen der Firma Leutbecher beigetragen hat.

Wenn ich gewusst hätte, wie es gekommen ist, hätte ich es nicht gemacht.“ Fast genau 20 Jahre nach dem Tod von Eugen Leutbecher schlägt das Schicksal erneut erbarmungslos zu und reißt Ingo mit nur 52 Jahren aus dem Leben. Ein Schock für die Familie - für das ganze Dorf.

Gerrit hat das sehr geprägt, ist aber trotzdem auf den Betrieb stolz, der nach nur neunmonatiger Bauzeit im August 2016 eröffnet wurde. Hinter seinem Unternehmen stehen gute Mitarbeiter, die mit ihm gemeinsam an einem Strang ziehen und somit einen großen Anteil zum Erfolg des Unternehmens haben.

Viele Jahre schon engagiert sich Gerrit im Gemeinderat von Oberweid. Er spürt, dass man sehr gefordert wird, hat aber auch Freude daran, wenn man etwas bewegen kann. Stets kann er auf die Unterstützung und den Zusammenhalt im Ort rechnen

Er wohnt gerne in Oberweid und freut sich immer wieder, wenn in seinem Besprechungsraum Gäste sitzen, die die schöne Natur und den Blick auf Noahs Segel am Ellenbogen bewundern.

Der Familienzusammenhalt bedeutet ihm sehr viel. Kraft und Ruhe findet Gerrit mit dem Schrauben und Herrichten von Oldtimern. Er liebt es, mit dem Motorrad quer durch Deutschland zu fahren, um dann wieder in sein Heimatdorf Oberweid zurückzukehren.

 

Gespräch mit Gerrit Leutbecher führte Antje Nävie im Mai 2025.


 

Christel und Roland Lautenbach

„Nicht so viel wie möglich, sondern so viel wie nötig.“

 

Nach diesem Motto haben sich die Eheleute Christel und Roland Lautenbach aus Oberweid in allen Bereichen ihres Lebens gerichtet. Manchmal, so bestätigten sie, durfte es auch ein kleines bisschen drüber gehen, aber nicht so viel. 

Äußerst wichtig war es Ihnen, dieses Motto mit Leib und Seele an ihre Enkel weiterzugeben.

 

Als ihnen die Frage gestellt wurde, was es alles Lebens- und Liebenswertes in Oberweid gibt, 

sprudelte es aus beiden nur so heraus.

Christel, die gebürtig aus Kaltenwestheim stammte, war mit 16 Jahren in Oberweid zum Fasching gewesen, als sie ihren Roland kennen gelernt hatte. Natürlich war es die große Liebe, die sie letztendlich mit Sack und Pack, verstaut auf dem Transport- LKW der Familie Leutbecher, nach Oberweid gezogen hat. Sicherlich auch mit einem weinenden Auge, denn das Heimweh nach ihrem Elternhaus ebbte erst mit den Jahren ab. Sie betonte, dass ihre Nachbarschaft, die gute Gemeinschaft am Küppel und das junge Lehrerkollegium an der ehemaligen POS in Unterweid dabei geholfen haben, sich hier heimisch zu fühlen.

 

Viel Kraft, Zeit, Geld und Liebe hatten sie in den folgenden Jahren in das Elternhaus Rolands gesteckt, um es für die wachsende Familie herzurichten. Ohne die Nachbarschaft wäre manches Projekt nicht realisiert worden. Alle packten an, wenn es notwendig war. 

 

Und so passierte es auch mal, dass aus der gegenüberliegenden Kettenfabrik Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder über die Straße eilten, um bei Lautenbachs in der Mittagspause kurz den neuesten Stand eines Fußballspiels zur Meisterschaft zu erfahren. Im Gegenzug dazu, wurde eintreffendes Baumaterial zügig und unkonventionell abgeladen. Ganz nach dem Motto: „Viele Hände- schnelles Ende“.

Dabei gab es immer so viel zu tun, auch weil sich Roland entschied, ein Fernstudium für die Oberstufe Mathematik in Halle/Erfurt aufzunehmen. Damals war Christel noch Sachbearbeiterin auf dem Rat der Gemeinde in Kaltenwestheim, wobei sie für den LPG – Bereich zuständig war. Auch sie entschied sich ein Jahr später für das Studium am Institut zur Ausbildung einer Unterstufenlehrerin. Beide fanden nicht nur Arbeit an der Schule in Unterweid, sondern auch mit dem jungen Kollegium Freunde. Lautenbachs merkten schnell, dass es sich mit den Kolleginnen und Kollegen nicht nur gut arbeiten, sondern auch feiern ließ.

Das hat zu einer eingeschworenen Gemeinschaft beigetragen.

 

Christel war der Meinung, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl zum Dorf früher unbeschwerter war als heute. Wobei beide den tollen Zusammenhalt aller Teilnehmer des Küppelfestes lobten, welches erstmals 1983 als Idee zu einem Männertag geboren wurde. Alle waren sich einig, dass man einen Platz zum Treffen und Austauschen von Neuigkeiten herrichten musste. Beide engagierten sich dabei und pflegen somit den Zusammenhalt der Leute im Dorf äußerst engagiert bis heute.

 

Das Gespräch mit Christel und Roland Lautenbach führte Antje Nävie im Mai 2025.

 


 

Julia und Eric Koch

Zurück aufs Land, zurück auf den „Knottenberg“

Eine persönliche Entwicklung im Sinne von Lebensentscheidungen.

Im Jahr 2013, während der Vorweihnachtszeit, kam es zu unserer ersten Begegnung. Es erscheint fast wie eine andere Lebensphase, wenn man bedenkt, dass dies nunmehr über zwölf Jahre zurückliegt. Zu jener Zeit lebten wir gemeinsam mit etwa 550.000 Einwohnern in der Stadt Dresden, wobei wir mit circa 35.000 Studierenden in Dresden studierten. Unser Kennenlernen markierte den Beginn einer gemeinsamen Lebensreise. Wir, dass sind Eric aus Magdeburg und Julia aus Oberweid.

Im Jahr 2019, nach der Geburt unseres ersten Kindes und der Übernahme elterlicher Verantwortung, wurde uns zunehmend bewusst, dass ein Leben in der Stadt für unsere kleine Familie möglicherweise nicht die optimale Lebensform darstellt. Da ich selbst nie auf dem Land gelebt hatte, war meine Neugier auf das Dorfleben groß. Dabei stellten sich uns Fragen wie: Welche Bevölkerungsgruppen wohnen dort? Handelt es sich ausschließlich um landwirtschaftliche Betriebe? Was sind die typischen Tagesabläufe? Bestehen dort Arbeitsmöglichkeiten?

Julia berichtete von ihrer behüteten Kindheit auf dem Land, die im Kontrast zu meinem eigenen Aufwachsen im Plattenbau stand. Mit wachsendem Wunsch, die Stadt zu verlassen, begannen wir, mögliche Alternativen zu prüfen. Dabei standen Orte wie Oberweid im Raum, wobei die Frage nach der Verfügbarkeit von Arbeit, dem Elternhaus oder einem Neubau im Raum stand. Julia schlug vor, mit meinen Eltern zu sprechen, um die Situation zu klären. Bei einem Besuch wurden unsere Pläne offen dargelegt. Die Reaktionen waren positiv: „Kommt her, wir machen Platz.“ Dies führte zu einer Entscheidung, die Arbeitssuche zu intensivieren.

Doch vorher ging es aber noch auf große Entdeckertour durch das schöne Skandinavien. So konnten wir Corona etwas Positives abgewinnen, da wir diese Landschaften fast touristenlos für uns entdeckten. Dabei waren die Fjäells und Fjorde in Norwegen ganz besondere Orte, die wir erleben durften.

Wieder zurück in der Heimat konnte ich ein konkretes Stellenangebot der Stadtverwaltung Meiningen, die eine Position als Sachbearbeiter im Hochbau ausschrieb, wahrnehmen. Nach erfolgreicher Bewerbung, einem Vorstellungsgespräch und der Vertragsunterzeichnung kündigten wir kurzfristig unsere Anstellung beim Freistaat Sachsen, die Wohnung sowie den Kitaplatz. Julia konnte von zuhause arbeiten, was uns Flexibilität verschaffte.

Bei unserer Ankunft in Oberweid wurde uns von Uroma Renate sofort das Wohnzimmer angeboten, das sie nicht mehr benötigte. Bereits in diesem Moment begann sie, das Zimmer zu räumen. Der Gedanke, ein altes, historisches Haus verfallen zu lassen und stattdessen ein neues zu errichten, schien uns keine realistische Option. Stattdessen entschieden wir uns, gemeinsam Geld und Arbeit in die Renovierung des Hauses zu investieren, um für unsere nun vierköpfige Familie ausreichend Platz zu schaffen. Während der Umbauphase kam unser zweites Kind zur Welt.

Als wir ein zweites Mal mit unserem Bus durch Skandinavien auf große Entdeckertour gingen, wurde es im Bus enger - denn nun reisten wir zu viert.

Uns fiel dabei auf, dass unsere Heimat, die Rhön, mit Südschweden als Sehnsuchtsort vieler Touristen landschaftlich absolut mithalten kann.

Doch zurück in der Heimat wurde nach fast zwei Jahren intensiver Arbeit aller Beteiligten ein echtes Zuhause geschaffen.

Die anfänglichen Fragen hinsichtlich des Lebens auf dem Land haben sich weitgehend geklärt: Hier leben überwiegend aufgeschlossene, freundliche Menschen mit unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen, die jedoch eine gemeinsame Leidenschaft verbindet – die Liebe zur Heimat und der Wunsch, aktiv am Gemeinschaftsleben teilzunehmen. Ob Fußball, Feuerwehr, Kirmes oder andere Vereine mit ihren Aktivitäten – überall ist ein ausgeprägter Tatendrang spürbar. Es herrscht niemals Stillstand, sondern vielmehr eine Gemeinschaft, die das tut, was sie liebt.

 

Das Gespräch mit Julia und Eric Koch führte Antje Nävie im Juni 2025.

 

 


 

Sandra Fey, Kristin Gottbehüt, Diana Rauch

 


 

Wilma Meyer

 „Jeder soll mich so in Erinnerung behalten, wie ich bin. Druckt bloß kein Bild von mir! “

Dabei hat es Wilma Meyer gar nicht nötig, sich über ihr Äußeres zu beklagen. Man möchte es nicht glauben, aber diese Frau hat vor kurzem ihren 90. Geburtstag im Kreis der Familie gefeiert. Noch heute schmeißt sie ihren Haushalt selbst – waschen, kochen und putzen gehören zur täglichen Routine. Während des Gesprächs hatte man bei ihr den Eindruck, dass sie ein wandelndes Kirchenbuch sei. Umfassende Kenntnisse über die Namen, Verwandtschaftsverhältnisse oder Geburtstage vieler Oberweider waren für die rüstige und immer noch gutaussehende Frau kein Problem. Dabei empfindet sie eine große Dankbarkeit, dass sie noch so eigenständig leben darf.

Wilma wurde in Oberweid geboren und 1941 eingeschult. Während ihrer Kindheit besuchte sie regelmäßig an den Wochenenden, Oma und Opa in Philippsthal, wo ihre Großeltern neben dem Schloss einen Gutshof gepachtet hatten. An eine Begebenheit konnte sich Wilma noch genau erinnern. Als Kinder bekamen sie und ihre Schwester Hildegard für die Oma immer ein kleines Briefchen von der Mutter mit, wobei sie nicht wussten, was darinstand. Später stellt sich das heraus. Mutter schrieb, dass sie nicht ins Bad durften, weil beide nicht schwimmen konnten. Einige Jahre später hat sie aber dank ihrer Tante Anna das Schwimmen erlernt. Sie bekräftigte nochmals, dass das Verwandtschaftsverhältnis zu ihren Großeltern und Anverwandten aus Philippsthal sehr wichtig und gut gewesen sei.

Als sie acht Jahre später die Schule beendete, zog sie nach Rumpenheim bei Offenbach/Main und half dort in der Wäscherei und Färberei ihrer Verwandtschaft. Sehr gerne hätte sie damals den Beruf der Schneiderin erlernt und wäre auch geblieben. Geschickt und talentiert konnte sie schon immer mit Nadel und Faden umgehen. Damals erlebte sie unter der Belegschaft der Fabrik einen guten Zusammenhalt und enge Kameradschaft. Leider musste sie nach einem Vierteljahr später wieder nach Oberweid zurück, da ihr Vater schwer erkrankte. Von da an half Wilma im elterlichen Haushalt, um ihre Mutter sowie die beiden Geschwister Hildegard und Hartmut zu unterstützen. Trotz allem, besuchte Wilma weiterhin regelmäßig ihre Verwandtschaft in Philippsthal, woher ihre Mutter Anny stammte.

Zwischenzeitlich hat Vater Willi die Gastwirtschaft im Arbeitsdienstlager auf der Rhön betrieben. Vielleicht war es Hartmut darum eine Herzensangelegenheit, das Thüringer Rhönhäuschen als Gastwirtschaft später neu aufzubauen.

In der damaligen Zigarrenfabrik hatte Adolf Schäfner, Inhaber der Polsterei in Unterweid, seine Werkstatträume unter dem Dach, wo Wilma einige Jahre arbeitete.

In dieser Zeit lernte sie ihren Werner kennen, der aus Bad Sülze bei Rostock stammte und an der innerdeutschen Grenze seinen Wehrdienst leisten musste. Die Familie wurde größer und Jürgen bekam noch einen Bruder Udo.

Als jedoch die Kettenfabrik alle Räumlichkeiten brauchte, wurde die Polsterei in Oberweid aufgelöst. Danach arbeitete sie 19 Jahre lang bei in der Plüschweberei der Familie Ludwig Helmbold. Zu ihrem Chef hatte Wilma ein gutes Verhältnis, aber auch zur ganzen Belegschaft des Familienunternehmens pflegte sie eine intensive Kameradschaft. Wilma hatte immer gerne und gut gearbeitet und liebte es, wenn Betriebsfahrten und Feierlichkeiten ausgetragen wurden. Die Arbeitsjahre hat sie in sehr guter Erinnerung, da es aus jeder Straße von Oberweid Kolleginnen oder Kollegen gab, mit denen man sich Neuigkeiten spontan und unkompliziert austauschen konnte. Nach Feierabend half sie oft ihrer Schwester Hildegard bei Erntearbeiten oder werkelte in ihren drei Gärten herum.

Durch den Mauerbau konnte der Kontakt zu ihrer Verwandtschaft nicht mehr so intensiv gepflegt werden. Dafür hegte sie umso mehr ein inniges Verhältnis zu ihren Geschwistern, die sie in schweren Zeiten immer unterstützten. Besonders ihre bereits verstorbene Schwester vermisst sie!

Stolz kann Wilma auf ihre stetig anwachsende Familie sein. Sie freut sich schon auf ihre Urenkelin Aimee, die in diesem Sommer von Neuseeland nach Oberweid zurückkehrte. Wilma hätte vielleicht damals eine ähnliche Entscheidung getroffen, wenn sie die  Möglichkeit dazu gehabt hätte.

Natürlich lebt sie gerne mit ihrer Familie, ihren Freunden und Nachbarn in Oberweid. Vielleicht wäre sie auch an einem anderen Ort mit anderen Möglichkeiten glücklich geworden. Auf jeden Fall hätte Wilma diese Alternative dann genutzt.

 

Das Gespräch mit Wilma Meyer führte Antje Nävie im Juni 2025.


 

 Sylvia Stützkowski

 „Wir sind wieder dahingezogen, wo der Hasˋ hingeheckt hat.“

 

Mit diesem Zitat und einem verschmitzten Lächeln antwortete Sylvia ziemlich spontan auf die Frage, warum sie wieder nach Oberweid zurückgekommen ist.

Vorher wohnte sie mit ihrem Mann Rudi in Kaltenwestheim, bis sie 1995 wieder zurück in ihren Heimatort kam. Sie bestätigte, dass natürlich ihre Eltern, die Familie und die Verwandtschaft eine große Rolle bei dieser Entscheidung gespielt hatten.

Ihr Mann Rudi, der aus Bad Schmiedeberg stammte, fühlte sich auch gleich ziemlich wohl in dem kleinen Rhöndorf. Er war jahrelang im Schützenverein tätig und trainierte mit viel Liebe, Ausdauer und Hingebung die Kinder- und Jugendmannschaft.

Bereits zu seiner Schulausbildung in Torgau an der EOS, war er als Sportschütze tätig. Seine Erfahrungen und das Fachwissen konnte er an die Jugend des Vereins weitergeben.

Sylvia stand ihrem Mann immer an der Seite und hat zum Beispiel auch beim Weihnachtsmärchen der gastierenden Theatergruppe „Die Rhuejäzze“ aus Wohlmuthausen geholfen, welches ihr Mann jedes Jahr für die Kinder des Ortes organisierte.

 

Sylvia hat es nicht nur wegen des guten Familienzusammenhalts in den Heimatort zurückgezogen, sondern auch die Liebe und Verbundenheit zur Natur. Sie bekräftigte diese Aussage mit einem Leuchten in den Augen, als sie davon berichtete, wie sie oft mit ihrem Mann ausgiebige Wandertouren genießen konnte. Genau wie sie, war Rudi äußerst naturverbunden.

Ja, es ist in Oberweid sehr lebens – und liebenswert, bestätigt Sylvia immer wieder.

Es geht einem das Herz auf, wenn man aus einem Waldstück auf eine Lichtung heraustritt und die offene Ferne vor sich sieht. Das ist für sie Heimat, das ist typisch für die Rhön. Daraus kann sie Kraft für ihre Gesundheit und den Alltag schöpfen.

Den Tag im Garten zu verbringen und trotz Arbeit das Ganze zu genießen, ist eine Lebenseinstellung, die für Sylvia ein perfekter Ausgleich zum Arbeitslebens ist.

Man wird geerdet.“

 

Beim Gespräch merkte man sofort, dass Sylvia sich an vielen, kleinen Dingen erfreuen kann, die einem tagtäglich begegnen. Die Liebe zur Natur hat sie wahrscheinlich von ihrer Mutter Christa geerbt. Beide Frauen kann man beim gemütlichen Kaffeetrinken im eigenen Garten mit wundervollem Blick auf den Staufelsberg antreffen. Beide schweifen dann gern in die Vergangenheit zurück, um Geschichten von Opa Kurt Güth zu erzählen. Christas Vater war genauso heimat- und naturverbunden. Ursprünglich stammte er aus Wohlmuthausen und hatte den Beruf des Schneiders bei seinem Vater erlernt. Da ihm jedoch die Kreativität und der Sinn für das Schöne besser lag, schulte er auf Holzbildhauer um. Nach Oberweid kam er, um im Betrieb der Gebrüder Dörsch in Anstellung zu gehen. Er logierte sich bei der Familie Flechsenberger ein, wobei er sich in deren Tochter Erna, Christas Mutter und Sylvias Großmutter, verliebte.

Er hatte es verstanden, die Natur zu genießen und zu erleben. Dabei liebte er es, die Urlauber, welche schon damals das kleine Dorf als Erholungsort aufsuchten, an die schönsten Orte der Rhön zu führen. Dabei konnte er so manche Begebenheit an diesen Orten erzählen.

Er war federführend, als vor 70 Jahren der Oberweider Carneval Club gegründet wurde. Aus seiner Feder stammten viele Heimatlieder und Gedichte, die damals und heute noch bei Faschingsveranstaltungen gesungen werden.

Besonders stolz macht Sylvia, dass ihre Kinder, Peter und Florian in die närrischen Fußstapfen ihres Urgroßvaters getreten sind. Sie führen diese Familientradition mit viel Engagement weiter.

 

 

Gespräch mit Sylvia Stützkowsky führte Antje Nävie im Mai 2025.

 

 

 


 

Uta Müller

 Selbst wenn einem Gobelin Weberei noch nicht viel sagt, sind einem sicherlich die Begriffe knüpfen und weben geläufiger. Viele Arbeiten aus der Oberweider Gobelin-Werkstatt Sauermilch sind auf der ganzen Welt und in repräsentativen Gebäuden zu bewundern. So stammten zum Beispiel die Wandteppiche der schönsten Luxusschiffe der Welt, die „Europa“ und die „Bremen“, aus dem kleinen Rhönort Oberweid.

 

Seit dem Jahre 1654 wurde in diesem Ort die Handwerkskunst in Familientradition gepflegt. Schon im Jahre 1778 begann die Ahnentafel mit der Geburt von Georg Friedrich Sauermilch, dessen Großvater die Handweberei in unserem Dorf begründete. Aber erst 1880 begann Karl Sauermilch mit der schönen und sehr aufwändigen Gobelin Weberei.

 

Utas Urgroßvater Wilhelm Sauermilch war dann der Mann, der die Gobelin Weberei und Handknüpferei in Oberweid zur vollen Blüte brachte. Sie erinnerte sich noch ganz genau daran, wie sie als kleines Kind in der Werkstatt nebenan wohnte und beobachten konnte, wie Sauermilchs ihre Wolle von den Oberweider Schäfern erhielten. Diese wurde im Reißwolf vorbereitet, um dann von Krempelmaschinen aufbereitet zu werden. Zu Spitzenzeiten arbeiteten in diesem Familienunternehmen bis zu 120 Arbeiterinnen und Arbeiter auf engstem Raum.

 

Wenn man von der Gobelin Weberei spricht, muss man wissen, dass zum Beispiel eine Arbeiterin in einem Jahr etwas mehr als einen Quadratmeter herstellen konnte. Für jeden Gobelin wurden aufwändige Schablonen auf Farbkartons angefertigt. Viele tausendfarbige Woll- und Seidengarne mussten auf Lager sein.

 

Uta, die während der DDR-Zeit in einem Veranstaltungsbetrieb Dresdens gearbeitet hat, kam erst wieder nach der Wende gemeinsam mit ihrem Mann Hans-Peter zurück in die Rhön.

Fortan war sie vollends mit der Neugestaltung der Diakonie „Sonneküppel“ in Tann beschäftigt und lernte, diese Arbeit in der ehemaligen Heimat Rhön zu lieben.

Ihr Mann restaurierte, reparierte und gestaltete mit viel Herzblut und Liebe, die neue Wohn – und Lebensstätte gegenüber der elterlichen Werkstatt. Auch zeigten sich ihre Eltern äußerst dankbar darüber, dass doch jemand nach Hause zurückgekehrt ist.

Ein bisschen Wehmut lag schon in den Worten, dass es diese Weberei nicht mehr gibt und damit auch ein Stück Geschichte unseres Heimatortes verschwunden ist.

Aber Uta hat durch die Oberweider Regina und Karl-Heinz Reich die heimatliche Rhön erst so richtig kennen gelernt. Sie betonte, dass die beiden Rhönführer ein unheimliches Wissen über Pflanzen und umfassende Kenntnis der Geschichte zu verschiedenen Plätzen haben. Gern unternimmt sie mit ihnen gemeinsame Spaziergänge, um zum Beispiel an den schönen Rasthütten, die aus der Initiative von Klaus Morzeck entstanden sind, Rast zu machen.

Manchmal sollte die Hausarbeit liegen bleiben oder der Garten könne mit Wildblumen zuwachsen, so betonte Uta Müller ihre Worte mit einem Strahlen in den Augen.

Auf ihrer Insektenwiese hat sie dieses Jahr 140 kg Vogelfutter und 400 Meisenknödel an die gefiederten Freunde verfüttert, um sich im Frühjahr an deren Gesang zu erfreuen.

Wichtig ist es, rauszugehen, um etwas Gutes für die Seele zu tun. Außerdem hält sie einen guten Kontakt zum Dorfleben. Manchmal kommen Jungen vorbei, um ihren Hund auszuführen. Mit Mädchen hat sie schon Ostereier gefilzt und würde es gut finden, einen Bastelzirkel für interessierte Kinder anzubieten. Kinder sind so erfrischend!

Gut fände sie es außerdem, wenn es mehr kulturelle Angebote wie zum Beispiel Buchlesungen, Spielabende oder Pflanzentauschbörsen geben würde. Gute Beschilderungen oder mehr Bänke würden das Spazierengehen in der Natur noch reizvoller machen.

Äußerst ungern würde Uta in eine Großstadt ziehen, weil ihr das Getümmel viel zu viel wäre. Es würde ihr sehr schwerfallen, die Rhön zu verlassen, denn Laufen ist Medizin.

Im Moment genieße ich alles, wie es ist.

 

An jedem Tag muss der Moment dabei sein, wo man das Leben schön findet.“

 

 

Das Gespräch mit Uta Müller führte Antje Nävie im Mai 2025.